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Videoüberwachung in medizinischen Einrichtungen

Bei Videoüberwachungen in privaten medizinischen Einrichtungen – hierzu zählen nicht nur Krankenhäuser und Arztpraxen, sondern auch ambulante Einrichtungen (unter anderem Physio-/Psychotherapie, Logopädie) – gelten die allgemeinen rechtlichen Vorgaben an eine Videoüberwachungsanlage. Allerdings kann die Eingriffstiefe schon ungleich größer sein, denn bereits die Tatsache, dass eine Person eine Arztpraxis aufsucht, kann im Einzelfall schon als Gesundheitsdatum zu qualifizieren sein, vgl. Artikel 4 Nr. 15 DSGVO. Dies hat zur Folge, dass bei derart sensiblen Informationen die rechtlichen Anforderungen nochmals höher sind.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich im Jahr 2019 mit einer Videoüberwachung in einer Zahnarztpraxis auseinandergesetzt (Urteil vom 27. März 2019, Az. 6 C 2.18) und in seiner Entscheidung klargestellt, dass sich die rechtliche Zulässigkeit (einzig) an der Vorschrift des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe f DSGVO zu messen hat. Danach muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich sein. Außerdem dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, nicht schwerer wiegen. Es hat also eine zweistufige Prüfung stattzufinden, bei der auf der ersten Stufe zu prüfen ist, ob der Verantwortliche überhaupt schützenswerte Interessen verfolgt und die Videoüberwachung zu deren Wahrnehmung geeignet und erforderlich ist. Auf der zweiten Stufe folgt dann eine Abwägung der wechselseitigen Interessen.

In dem zu entscheidenden Fall hatte die Zahnärztin in den Praxisräumen ein Kamera-Monitor-System angebracht, mit dem sie den Bereich hinter dem Empfangstresen sowie diejenigen Bereiche überwachen konnte, in denen sich die Praxisbesucher – nach dem ungehinderten Betreten der Praxis – aufhalten (Bereich vor dem Empfangstresen, Flur zwischen Eingangstür und Tresen und ein Teil des vom Flur abgehenden Wartebereichs). Hierzu hatte sie oberhalb des Tresens eine Digitalkamera installiert. An der Eingangstür außen sowie am Tresen war jeweils ein Schild mit der Aufschrift »Videogesichert« angebracht. Die Zahnärztin gab vor, durch den ungehinderten Praxiszugang könnten dort unerkannt Straftaten begangen werden. Außerdem müsse sie im Wartebereich sitzenden Patienten rasch zu Hilfe kommen können. Schließlich sei die Zahnärztin auf die Videoüberwachung angewiesen, um ihre Praxisbetriebskosten zu senken.

Das Bundesverwaltungsgericht kam bereits auf der ersten Prüfstufe zu dem Ergebnis, dass keine das allgemeine Lebensrisiko übersteigende Gefahr der Verwirklichung von Straftatbeständen bestand, es also nicht notwendig sei, zur Interessenwahrung die öffentlich zugänglichen Praxisbereiche während der Öffnungszeiten zu überwachen.

Ausschlaggebend hierfür war, dass die Zahnärztin keine einzige Straftat in ihrer eigenen Praxis oder in anderen im selben Gebäude untergebrachten Arztpraxen anführen konnte. Allein das Vorhandensein von Betäubungsmitteln und Wertgegenständen begründe für sich gesehen keine besondere Gefährdung, zumal die Zahnärztin Diebstähle dadurch verhindern konnte, dass sie für eine sichere Aufbewahrung ihrer eigenen werthaltigen Gegenstände sorge. Patienten könne geraten werden, ihre Wertsachen immer bei sich zu haben. Alternativ ließen sich abschließbare Behälter für Wertgegenstände zur Verfügung stellen. Patienten im Wartebereich könnte ein Notfallknopf in die Hand gegeben werden, um notfalls Hilfe herbeizurufen. Bei der Einsparung von Personalkosten fehlte es an nachprüfbaren Angaben; die Argumentation beschränkte sich auf eine pauschale Behauptung vielfach höherer Kosten.

Weiter stellte das Bundesverwaltungsgericht heraus, dass eine nicht erforderliche Videoüberwachung immer unzulässig ist, sodass sich eine Interessenabwägung erübrigt, wenn keine Gründe aufseiten des Verantwortlichen bestehen, die zu einer Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der betroffenen Personen berechtigen.

Das Anbringen von Hinweisschildern allein führt nicht dazu, dass eine rechtlich unzulässige Videoüberwachung legal wird. Auch deutlich sichtbare Hinweisschilder lassen nicht den Schluss zu, die Praxisbesucher willigten in die Videoüberwachung ein. Mit der bloßen Kenntnisnahme, dem Passieren eines Hinweisschilds oder dem Betreten der überwachten Räume bringen die überwachten Personen nicht ihr Einverständnis mit der Videoüberwachung zum Ausdruck. Es liegt also keine rechtlich wirksame Einwilligung in die Verarbeitung vor (Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a DSGVO). Vielmehr stehen die Informationspflichten des Artikels 13 DSGVO (siehe: Wie muss ein Verantwortlicher auf die Videoüberwachung hinweisen?) in einer Reihe mit den Verantwortlichen treffenden Pflichten nach der DSGVO und knüpfen somit daran an, dass die Videoüberwachung nach der Vorschrift des Artikels 6 Absatz 1 DSGVO überhaupt zulässig ist (siehe Wann ist Videoüberwachung erlaubt?).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Videoüberwachung in medizinischen Einrichtungen jedenfalls während der gewöhnlichen Praxisöffnungszeiten dann nicht zulässig ist, wenn Bereiche überwacht werden, die der Allgemeinheit frei zugänglich sind. Hierzu zählen der Eingangs- sowie der Wartebereich ebenso wie die Flure. Während der Praxiszeiten kommt eine Videoüberwachung überhaupt nur im besonderen Ausnahmefall infrage, wenn beispielsweise eine besonders hohe, über dem allgemeinen Lebensrisiko liegende Gefahr für die Begehung von Straftaten besteht. Jedoch gilt auch hier, dass zuvor alle milderen Mittel geprüft und ausgeschöpft sein müssen. Diese könnten darin bestehen,

  • den Empfangstresen permanent mit Personal zu besetzen,
  • Schließfächer für Wertsachen bereitzustellen,
  • Patienten anzuhalten, ihre Wertsachen mit in das Behandlungszimmer zu nehmen,
  • teure medizinische Instrumente, Wertsachen (z. B. Zahngold), Geräte und Medikamente (z. B. Betäubungsmittel) in verschließbaren Schänken oder Behältern aufzubewahren und
  • den Patienten die Eingangstür zur Praxis nur mittels eines manuell zu betätigenden oder eines automatischen Türöffners zu öffnen.

Kosteneinsparungen durch einen nicht permanent besetzten Empfangstresen (Personalkosten) kommen nur dann zum Tragen, wenn sich diese Kosten insbesondere durch organisatorische Veränderungen nicht vermeiden oder in einer hinnehmbaren Größenordnung halten lassen. Um die Erforderlichkeit der Videoüberwachung zu begründen, müssen die ohne eine Videoüberwachung entstehenden Kosten im Verhältnis zum Umfang der geschäftlichen Tätigkeit ins Gewicht fallen oder gar deren Wirtschaftlichkeit infrage stellen.
Sollten auch Mitarbeiterbereiche überwacht werden, gelten dort separate Vorschriften.

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